Dienstag, 17. Februar 2009

Der Keks-Angriff

Es kommt hoher Besuch

Stephanie freute sich, nach so langer Zeit ihr eigenes Zuhause endlich wieder zu sehen. Nun gleich es wahrhaftig keinem Schloss, war gar nur ein umgebauter Hühnerstall, mit einem großen Wohn-Küchenbereich, einem kleinen Schlafraum, samt Badezimmer, doch es war ihr eigenes, kleines Reich, indem sie tun und lassen konnte, was sie wollte!

Bevor sie es sich dort all zu gemütlich machen konnte, hatte sie jedoch vorsichtig zu sein! Sie hielt es für unwahrscheinlich, dass Robert hier tagelang persönlich auf sie gewartet hätte. Also würde er sicher etwas für sie hinterlassen haben und danach wollte sie suchen und es vor allem so schnell wie möglich gefunden haben, sobald sie einen Fuß ins Haus gesetzt hatte!

Glücklicherweise kannte sie ihren alten Chef sehr gut. Er wich nie von seinen Gewohnheiten ab, benutzte immer die gleichen Mechaniken, immer dieselben Verstecke, immer in der Mitte des Hauses zentriert – wie voraussehbar der alte Mann doch war!

Nach kürzester Zeit und nachdem sie nur an drei anderen Stellen geschaut hatte, fand sie die Bombe auch schon im Schornstein des Kamins. Sie war zwar aktiviert - wie es schien, aufgrund ihres Eintretens - doch der Timer war ungewöhnlich lang gesetzt; sie hatte noch gute drei Minuten Gnadenfrist, bevor es losgehen würde.

Sie hatte sich nie besonders gut darin gemacht, Bomben zu entschärfen und aufgrund ihrer Kriegserfahrungen hatte sie auch genügend Respekt davor, was so ein bisschen Sprengstoff anrichten konnte. Daher entschied sie sich, es erst gar nicht zu versuchen und eilte stattdessen mit der Bombe, so vorsichtig es nur ging, in den Garten hinaus, wo sie den Sprengsatz in den Eimer setzte, um ihn in zügigen, aber rucklosen Bewegungen den Brunnen hinunter zu lassen. Aufgrund der etwas höheren Lage des Grundstücks war der Brunnen hier mehr als 50 Meter tief. - Das hatte sie jedenfalls den Bauern einmal sagen hören und nun hoffte sie, dass er nicht übertrieben hatte!

Ein leichtes Rüsten unter ihren Füssen und ein kurzer, spontaner Wasserguss, der bis ganz nach oben hinaus spritzte, verrieten alsbald, dass die Gefahr nun gebannt war.

Nachdenklich ging sie ins Haus zurück.
Sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie letzte Nacht das Richtige getan hatte, als sie der Polizei verschwieg, wer der Mörder war. Doch andernfalls hätte es ihr auch nichts genutzt, die Wahrheit zu sagen. Robert besaß eine gewisse Immunität und alles, was es ihr eingebracht hätte, wäre, dass man ihn gewarnt hätte!
Sie dachte über die Bombe nach.
Da der Timer so lang gesetzt war, nahm sie an, dass Robert nur ein bisschen mit ihr spielen wollte.
Sie würde Gift drauf nehmen, dass seine Leute das Haus überwachten und er sich schon bald auf den Weg hierher befinden würde!

Das brachte sie auf eine Idee!
Wenn er sich schon die Mühe machen würde, sie höchstpersönlich zu besuchen, dann sollte sie sich auch bemühen, den ungeladenen Gast gebürtig zu empfangen!
Sie hatte zwar noch nie etwas Avancierteres als Spiegeleier kochen können, doch wenn es um’s Backen ging, war sie gleich wesentlich begabter. Es würde zwar nie ein Bäcker oder gar Konditor aus ihr werden, denn ihre Künste beschränkten sich lediglich auf zwei Rezepte... - dennoch war sie überzeugt, die besten Brownies und Chocolate Chip Cookies der Welt zu machen. Und das Wichtigste war: andere liebten sie noch mehr als sie selber! Ihr Geheimnis war ganz einfach, dass sie Butter statt Margarine nahm und ansonsten auch nur ökologische Zutaten der besten Sorte verwendete und das schmeckte man zweifellos durch.

Es gab keine Zeit zu verlieren, drum ging sie sofort zu Werks. Sie hatte zwar vor, nur eine ganz bescheidene Menge herzustellen, doch der Zeitaufwand war nicht zu unterschätzen. Sie hackte Schokolade, schmolz die Butter, rührte schließlich alle Zutaten zusammen und fügte zum Schluss noch eine ganz besondere Zutat hinzu, um die Sache abzurunden!

Kaum waren die Cookies fertig und Stephanie dabei, sie auf einen Teller anzurichten, schellte es an der Tür.
„Komm rein Robert, warum so förmlich, du hast doch sowieso einen
Schlüssel, wenn auch nicht von mir...“
empfing sie ihn ohne eine Miene zu verziehen.
„Ich hätte dir Blumen mitgebracht, doch dir wird kaum die Zeit
verbleiben, sie zu versorgen.“
„Direkt wie immer.“ antwortete sie lakonisch.
„Doch keine Sorge, Robert, dein anderes kleines Mitbringsel habe ich
schon im Brunnen entsorgt. - Dir fällt auch wirklich nichts Neues ein!
Immer derselbe, altmodische Sprengsatz, immer mehr oder weniger
am gleichen Ort! Ich nehme an, es ist nicht um Kosten zu sparen, du
willst es nur vor deinen Technikern geheim halten. Daher fummelst du
lieber selber, auf die reichlich unprofessionelle Art.“

Er schien ihr kaum Aufmerksamkeit zu schenken, schaute sich angestrengt um.
„Hast du Besuch?“
„Nein, ich erwarte meine Familie.“
„Ach jetzt seid ihr schon offiziell eine Familie geworden?“
höhnte er.
„Hmm, duftet gut hier! Lieb von dir, Milch und Cookies für deine kleine
Prinzessin bereit zu halten. Doch mach dir keine Illusionen, Stephanie!
Nachdem du nie eine Mutter für sie gewesen bist, werden ein paar Kekse
eure Beziehung auch nicht retten können.“
Er griff nach dem Teller, um sich einen Cookie zu nehmen.
Sie haute ihn sanft auf die Finger.
„Lass das! Du hast schon immer gedacht, dass du das Recht hast, dir
alles zu nehmen und aller Leute Leben zu manipulieren. Die Kekse sind
meine, drum laß gefälligst die Finger davon!“
Er hörte nicht auf sie und nahm demonstrativ gleich zwei Kekse.

„Seid wir hier so gemütlich zum Kaffeeklatsch versammelt sind, Robert,
kannst du mir vielleicht ein paar Fragen beantworten, die kürzlich mein Gemüt bewegt haben?“
Er antwortete nicht, doch aufgrund der köstlichen Cookies etwas milder gestimmt, machte er mit dem Kopf eine Geste, die bedeuten sollte, dass sie fortfahren konnte.
„Die Bombe im Nahen Osten, als ich Frank treffen sollte, die war auch
von dir, nicht wahr?“
Schmatzend antwortete er:
„Dein Kamakazie-Nigger?“ er lachte höhnisch auf.
„Ja, und? Das war wohl kaum ein Verlust, der hätte sich bei seinen
Flugmanövern sowieso bald das Genick gebrochen!“
Er nahm sich noch einen Keks und schien etwas Trocknes im Hals zu spüren.
„Hast du etwas zu trinken?“
„Nur Wasser oder Saft.“
„Wasser ist gut genug.“
Sie füllte ein Glas mit stillem Wasser aus der Flasche, denn seit der Explosion hätte sie sicher kein Wasser mehr in der Leitung.
„Hier, Robert!“ sie schob es hinüber zu ihm.

„Wie soll ich deinen Besuch verstehen? Bist du gekommen, weil ich die
Bombe entsorgt habe und du den Job daher persönlich abschließen
willst, um sicher zu stellen, dass diesmal nichts schief geht?
Oder was führst du anderes im Schilde?“
„O wer wird denn gleich so verstimmt sein, nur wegen des kleinen
„Welcome-Home“-Geschenks? Ich will doch schließlich nicht riskieren,
dass mein bester Trainee außer Übung kommt! Und wie ich sehe,
beherrschst du dein Handwerk wie eh und je!“
Urplötzlich von seinem falsch-freundlichen Ton ablassend, wurde seine Stimme ernst und bitterkalt:
„Nein, ich will die kleine Ratte!“
Stephanie hatte Mühe, sich zu beherrschen, um ihn nicht gleich an Ort und Stelle zu erdrosseln.

„Was willst du von Anastasia?
Tut mir leid, dass ich sie nicht für dich umbringen konnte, wie du mir aufgetragen hattest, aber siehst du, das ist der Unterschied zwischen dir und mir: ich ermorde keine unschuldigen Menschen, weil ich den Rachen nicht voll genug kriegen kann!“
Er lachte auf.
„Ich bin nicht gekommen, um mit dir zu streiten, dazu ist die Zeit zu knapp. Wir warten, bis sie hier eintrudelt.“
Er nahm sich einen weiteren Keks und setzte sich bequem im Sofa zurecht.

„Warum hast du Egil Jørgensen erschossen? Ich dachte, ihr seid Partner gewesen.“
„Woher weißt du das?“
„War gestern Nacht im Garten, denn Anastasia wollte zu ihrem Freund.“
Ihm entzischte ein missbilligendes „Pah!“, doch er fuhr prompt fort, denn dies hier war wirklich etwas, dass ihn unglaublich wurmte!
„Sein Sohn hatte die Formel und etwas mehr von deiner Ratte kriegen sollen, doch sie hatte ihm schlichtweg den Kopf verdreht und Egil hatte nichts, aber rein gar nichts unternommen, um ihn zur Besinnung zu bringen. Ganz im Gegenteil! Er gab ihr auch noch Kost und Logi! Noch dazu konnte er nicht die Wichtigkeit in der Eliminierung der
Zeugen sehen und so verblieb mir keine andere Wahl, als ihn selbst zu eliminieren.
Siehst du, Stephanie, so ergeht es Leuten, die mit mir spielen und sich nicht an die Abmachungen halten!“

„Ich gehe davon aus, dass du uns Drei ebenfalls aus dem Wege schaffen willst, sobald Olof und Ana hier sind?“
„Ganz so ist es!“
Er lehnte sich zurück, legte die Beine auf den Sofatisch und zog den Revolver aus der Manteltasche, um ihn auf seinem Oberschenkel ruhen zu lassen.
„Was ich wirklich gerne wissen will, Robert: Dass du die Polizei auf mich hetzt, indem du angibst, ich hätte Vladimir ermordet und die Zeitungs-Ente von gestern, wo du vorgibst, Ralf war von mir kaltblütig in eine Falle gelockt worden und sein Tod sei nicht Notwehr gewesen... all dies... Ist es wirklich nur, um mich zu dir zuführen, um dir die Formel, samt Aufzeichnungen zu verschaffen und damit dir der Gewinn deiner Aktien sicher ist? Oder steckt noch was anderes dahinter? Ich meine, du weißt, ich bin unschuldig, warum musst du unbedingt meinen Namen in den Dreck ziehen? Das war doch nun wirklich nicht nötig! Ich hätte gedacht, dass deine Surveillance-Leute gut genug sind, dass sie mich auch anders hätten finden können.“

„Du weißt, dass du unschuldig bist und ich weiß es, aber was die Welt betrifft, so glaubt man in der Regel immer noch, was man in der Zeitung liest. Und da steht nun mal drin, dass du es getan hast!“
Ein hämisches Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit.
„Du wirst dich wohl oder übel damit abfinden müssen, dass du schuldig sterben wirst!“

Er räusperte sich, nachdem er hastig noch ein paar Krümel hinuntergespült hatte, die ihn unerklärlicherweise zu schikanieren schienen.
„Selbstverständlich brauche ich die Formel und eine Garantie, dass mir keiner mehr dazwischen funken wird, um den Aktiengewinn zu sichern. Da hast du schon ganz recht. Aber Stephanie, es geht um weitaus mehr, als das! Du hast mein Ansehen und meine Karriere ruiniert. Ich habe dich ins Warme geholt, dich ausgebildet und wie hast du mir gedankt? Du hast nie wirklich für meine Organisation gearbeitet, nur immer kleine Jobs hier und da gemacht - wenn sie dir in den Kram passten und mit deinem oh so reinen Gewissen zu vereinbaren waren...“ Er konnte sich nur knapp ein boshaftes Lachen verkneifen.
„Stephanie, Du hast mich ausgenutzt und mir ins Gesicht gespuckt, und dann bist du zu allem Überfluss auch noch mit diesem Rusky abgezogen!
Du willst einen Grund wissen? Das ist es: dass du mich in der Öffentlichkeit verhöhnt hast und dazu mit allen möglichen Männern herummachtest, wo doch jeder wusste, dass du und ich für einander bestimmt waren!“
„Das ist es, was dahinter liegt? Deine Eifersucht, Robert?“
fragte sie, ihre Entrüstung nur schwer verbergen könnend.
„Du bringst jeden um, der mir zu nahe tritt, nur weil du meinst du hättest ein Anrecht auf mich?
Was gab dir je diesen Gedanken?
Du warst doch verheiratet, zum Himmeldonnerwetter!

Er nahm sich einen weiteren der herrlich duftenden, warmen Kekse.
Ihre kleine Göre würde sowieso nicht mehr die Gelegenheit haben, sie zu genießen...
„Komm, setz dich zu mir und hab auch einen, dann werd ich’s dir erklären.“
Er hielt ihr den Teller hin und deutete ihr mit dem Kopf, sich neben ihm auf dem Sofa Platz zu nehmen
„Nein danke, Robert, sie schmecken mir zu sehr nach bitteren Mandeln!“

Er schaute sie erschrocken an.
Sie nickte, seinem Blick nicht ausweichend.
„Was hast du in die Cookies reingetan?
„- Anscheinend wohl keine Blausäure, sonst wär ich selbst schon längst
hops gegangen...“ raunte sie verächtlich.
„Doch du sag es mir, Robert!
Was genau hast du in meinem Oberschenkel hinterlassen,
als du das Microchip entfernt hast?“ entfuhr es ihr eiskalt und mit einer Absicht, die auch ohne Gift und Waffen töten konnte und sie beeilte sich, hinzuzufügen:
„Doch du kannst sicher sein, dass es viel schneller wirkt,
wenn es aufgelöst ist!“
Die Waffe fiel ihm aus der Hand, als er nicht nur versuchte, etwas verbal zu erwidern und es schien ebenfalls, als wäre er gleichzeitig bemüht, das Gegessene wieder hochzuwürgen. Doch alles blieb ihm im Halse stecken, als er sich, mit starrem Blick in den Augen, an die Gurgel fasste und zusammensackte.

Stephanie ging zum Schrank hinüber, um die Aufnahme zu beenden. Sie brannte die CD, die den Wortwechsel aufgezeichnet hatte, vier mal. Zufrieden lächelnd schaltete sie den PC aus. Dies hier sollte ausreichen - nicht nur, um ihren Namen bei Interpol zu säubern, sondern auch dort drüben, auf der anderen Seite des Atlantiks, würde sie nun keine Probleme mehr haben.



DER OBEN GEBRACHTE AUSZUG IST EIN KAPITEL AUS DEM BUCH "DAS WUNDERMITTEL" - EIN SEHR UNGEWÖHNLICHER KRIMI/ABENTEUERROMAN, DER IN SKANDINAVIAN SPIELT.

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